Dienstag, 12. Juni 2012

Ute Scheub: Das falsche Leben



Ein Buch, welches „Das falsche Leben“ heißt, im Untertitel „Eine Vatersuche“ trägt und von einer Ute Scheub geschrieben wurde, auch wenn sie es mir dediziert hat, kann eigentlich nur dazu verurteilt sein, in meiner Bücherwand zu verstauben; es sei denn, ich könnte es verschenken. In den letzten sechs Jahren war das nicht der Fall und allem Anschein nach dringe ich jetzt in meiner Bücherwand in Welten vor, die ich nie betreten habe und wo Drachen hausen.

Das falsche Leben ist ein unglaublich beeindruckendes Buch für mich gewesen.

Scheubs Vater hat sich 1969 vor Günter Grass, auf einem Kirchentag in Stuttgart, und vor zweitausend Menschen hingestellt, seine „Kameraden von der SS“ gegrüßt und dann mit Zyankali vergiftet.

Es ist selten, daß ein Klappentext tatsächlich mal beschreibt, was für ein Buch er da umschließt. Ich zitiere mal: „Persönlich, anrührend, manchmal geradezu beklemmend zeichnet Ute Scheub das falsche Leben des Mannes, der ihr Vater war – und liefert das Porträt einer ganzen Generation.“

Das ist diesmal absolut zutreffend! Und es ist noch mehr drin.

Wenn jetzt einer meint, was soll denn das, nach so langer Zeit. Die meisten Täter sind doch tot! Das interessiert doch keinen Menschen mehr, dem sei gesagt: Täter hatten Kinder, die Kinder sind heute Erwachsen und haben Kinder. Die Kinder der Täter sind in einer Republik aufgewachsen, die es nie ernst gemeint hat, mit einer Aufarbeitung und Verarbeitung der NS-Zeit. Damals aktive Nazis haben bis zu ihrem natürlichen Ende diese Republik verantwortlich mit verwaltet und gestaltet. Und ihre Kinder sind heute in verantwortlichen Positionen.

Ute Scheub beschreibt ein Traumata, nicht nur ihres Vater, auch das einer Gesellschaft.




Ute Scheub
Das falsche Leben
2006 Piper Verlag