Mittwoch, 27. Juni 2012

Véronique Olmi: In diesem Sommer


Was jetzt zur Sommerzeit auf den ersten Blick wie eine amüsante, leichte Sommerlektüre daher kommt, ist, und das wird sehr schnell klar, ein ausgesprochen subtiler und lesenswerter Roman, klug, amüsant und leicht auf eine ganz besondere Weise.

Drei unterschiedliche Paare treffen sich zu einem verlängerten Wochenende in einem Haus am Meer, die Kinder des Gastgeberehepaares bringen noch Freund und Freundin mit. Das Ambiente ist natürlich malerisch, Terrasse, gutes Essen, das Meer. Friede, Freude, Eierkuchen. Aber denkste!

In diesem Jahr ist alles ganz anders. Delphine und Denis, die reichen Gastgeber haben ihre Trennung noch nicht ausgesprochen; Nikolas und Marie zelebrieren eine demonstrative Nähe, daß man sich fragt, warum leben nicht alle Paare sechzehn Jahre glücklich miteinander und haben unglaublich guten Sex solange; Lola macht’s wohl richtig und bringt auch in diesem Jahr einen anderen Liebhaber mit, einen jugendlichen Liebhaber natürlich und die pubertierende Tochter von Delphin und Denis mit ihrer Freundin tun keinen Handschlag und lassen sich bedienen. Eigentlich müßte, könnte doch alles so schöööön sein.

Mit einem Zitat von Joyce Carol Oates stimmt Véronique Olmi den geneigten Leser auf dieses Wochenende ein: „Und das tröstete mich damals und tröstet mich heute: Alles, wovon ihr glaubt, ihr hättet es euch ausgedacht, ist real. Man muß es nur überleben.“

Das deutet nicht unbedingt auf ungetrübte Sommerfreuden hin. Und dann ist man auch schon drin in einer wunderbar erzählten Geschichte und kann wirklich das Mäuschen sein und dabei zulesen, wie Olmi, Stück für Stück, diese Klischees auf recht behutsame Art und Weise auseinander nimmt.

Und dabei hat diese Frau Sätze drauf, da schlackern mir die Augenlieder. Es schien mir, also lobte sie gerade noch eine wunderbare Fassade und nach dem Komma deutet sie auf die großen Risse und den abgebröckelten Putz. In ihren Dialogen gibt es eine unglaubliche Offenheit, denn ab einem bestimmten Punkt scheinen fast alle Figuren darin ihre Fassaden, Masken und eingeübten Verhaltensweisen fallen zu lassen.

Es gibt noch eine weitere Besonderheit: Man entwickelt keine Vorurteile, wenn es um die Beurteilung von Recht und Unrecht, oder Schuld geht. Sympathien für den einen oder anderen Standpunkt mögen sich einschleichen bis man erkennen muß, daß auch der oder die vermeintlichen Kontrahenten sympathisch sind. Subtil, aber nicht subversiv.

Übrigens: Man kann das Buch ruhig mit an den Strand nehmen und ich denke mal, für so manche Begebenheiten hat sich danach der eigene Blick geändert und ein gutes Gefühl macht es auch.


Véronique Olmi: In diesem Sommer

Verlag Antje Kunstmann
Coverfoto: Trevillion, Shutterstock/svehlik