Montag, 14. Januar 2013

Marlene Streeruwitz: Kreuzungen


Böse, böse kleine geile Fabel! Wieso aber dieser Hinweis auf Nicolas Sarkozy und 2007? Ist der so reich, daß er ernsthaft überlegen könnte, Venedig zu kaufen, wie Max, der Erzähler in diesem Roman? Oder war das vielleicht gar keine ernsthafte Überlegung, den Touristen dann ein blaues Bändchen zu verpassen, besser noch, sie zu Brandmarken? Dann allerdings, stellt sich für mich die Frage, ob die Autorin hinterlistig und gemein und überaus klug ist?  Abgründe, Abgründe, Abgründe! Über die Autorin könnte ich nur das sagen, wozu sich einige begeisterte Kritiker bereits über Form und Stil haben hinreißen lassen, was ich aber nicht so genau recherchiert habe. Kreuzungen ist das erste Buch, welches ich von Marlene Streeruwitz gelesen habe. Und das war am Anfang genauso schwer, wie mir ihren Namen zu merken; ihn auszusprechen.  Einige rudimentäre Sätze machten den Einstieg nicht leicht und es dauerte etwas, bis ich die Melodik und den Takt erfaßte, um dann mitgerissen zu werden und das Lesen rauschhaft wurde.  Es kann sein, daß diese Form ein Markenzeichen von Marlene ist oder sein soll und vordergründig manieriert wirkt; was es aber letztlich nicht ist, wie ich hoffe.  Eine Eigenart nenne ich es eher, auf die man sich einlassen kann und sollte.

Perversion ist immer so eine Sache. Macht und Reichtum sind auch schon pervers genannt worden.  Max, ein reicher Mann, der sich aber nicht für reich genug hält, hat nun so seine sexuellen Gepflogenheiten, mit denen dieser Roman anfängt und der Leser von da an, in seinen Gedankenfluß gerät über seine Ehefrau, seine Kinder, was er will, was er nicht will, die Trennung, die Scheidung, die neue Suche nach der passenden Frau, den richtigen Ort, das richtige Leben, einem neuen perfekten Gebiß, so wie er es sind denkt.  Übrigens, Max hat 900 Millionen am Ende des Romans und nach der Scheidung, die billiger war, als er befürchtet hatte, weil seine Frau ihn weniger kannte als er dachte. Und der Anwalt seiner Frau, der sie auf der Schreibtischkante gefickt hatte, war auch nicht klug genug, mehr raus zu holen.  Sie wissen sicher alle wie so eine Schreibtischkante, auf der man ficken kann, auszusehen hat. Hier hat die Streeruwitz nicht das Bild bemüht, daß jeder von einem Bürofotokopierer im Kopf hat.  Es gibt noch eine Vielzahl von abenteuerlichen Bildern in diesem Roman. Ich sagte schon: Abgründe, Abgründe, Abgründe! Die Hinterlist nun, die ich dahinter vermute ist, daß es eher um Macht geht, um allgemeines Verhalten, Zwischenmenschliches, Alltägliches und die eigentliche Zielgruppe der Normalo ist, mit einem überschaubaren Bankkonto und vielleicht noch die etwas gebildeteren und anspruchsvolleren Leser. Klein Erna wird wohl schwerlich Gefallen haben an dem hier beschriebenen Leben der Reichen und Mächtigen und die Reichen und Mächtigen ebensowenig, wenn ihnen ein Stück Kot auf einem Silberteller präsentiert wird.

„Das war ja das Geheimnis der Räuber. Sich aus einer brutalen Geste einen Wert verschaffen. Wenn ein Künstler diese Geste aufgab, dann gab es keine Zeugung mehr. Dann gab es wirklich keine Alchemie, und Scheiße wurde nicht zu Gold. Dann machte dieser Mann nur sein Handwerk. Dann ging es von oben nach unten. Vom Wert zum Unwert.“ (Zitat Seite 249)

Was Marlene Streeruwitz, ha, ich konnte es jetzt ohne den Namen überprüfen zu müssen schreiben, hier in diesem Roman abgelassen hat ist klug, tiefgründig und in gewisser Weise sicher auch hinterhältig. Das gehört zum Schriftstellern dazu. So ganz und gar ausgegoren aber scheint es mir dennoch nicht zu sein, was aber eventuell auch etwas gewolltest ist, nämlich, dem Leser Platz zu lassen. Ich werde noch mal etwas von ihr lesen.


Marlene Streeruwitz: Kreuzungen

© 2008 S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main